ERP-Softwareeinführung Agil oder Klassisch?

Leistungen

Gerade für mittelständische Unternehmen stellen ERP-Softwareprojekte oft eine grosse Herausforderung dar. Geeignete Projektmanagementmethoden helfen, die Komplexität zu reduzieren, die Ressourcenbelastung optimal zu verteilen und das Projekt letztendlich erfolgreich zu meistern.

Der Klassiker des Projektmanagements ist das so genannte Wasserfallmodell. Die erste formale Beschreibung liegt bereits über 50 Jahre zurück und wird Winston W. Royce zugeschrieben, der das Modell in einem seiner Artikel aufgriff.

Dabei wird das Projekt linear in verschiedene Phasen unterteilt, die wie die Stufen eines Wasserfalls aufeinander folgen und aufbauen. Klassischerweise zeichnet sich ein Wasserfallprojekt durch folgende 5 Phasen aus:

  1.  Anforderungsanalyse
  2.  Konzeption/Spezifikation
  3.  Implementierung/Umsetzung
  4.  Testing
  5.  Betrieb

 

Im Gegensatz dazu sind agile Methoden, wie bspw. das MVP-Modell, iterativ.

Der Fokus liegt dabei auf kurzen Entwicklungszyklen mit dem Ziel, möglichst schnell Feedback von den Endnutzern zu erhalten, Fehler und Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und schnellstmöglich darauf zu reagieren.
Im Projektverlauf entstehende Anforderungen können flexibel umgesetzt und die Lösung kann kontinuierlich angepasst werden. Agile Methoden gibt es mittlerweile in vielen Ausprägungen. Zu den bekanntesten Frameworks zählen MVP, SCRUM und Kanban.
Alle agilen Projektemethoden haben eines gemeinsam: kurze Entwicklungszyklen und häufiges Feedback. In diesem Artikel werden die beiden Methoden näher beleuchtet und miteinander verglichen. 

MVP vs. Wasserfall-Projektmethode

MVP steht für "Minimum Viable Product", was soviel bedeutet wie "minimal lebensfähiges Produkt". Ein MVP ist die kleinstmögliche Version eines Produkts, die nicht mehr als die unbedingt notwendigen Funktionalitäten enthält, um von Anwendern getestet werden zu können. Bei der MVP-Projektmethode steht die schnelle Umsetzung eines funktionierenden und sofort einsatzbaren Produkts im Vordergrund. Dieses Produkt hat in der Regel noch nicht den vollen Funktionsumfang, den man sich für das Endprodukt vorstellt.

Das folgende Beispiel eines Segelbootes veranschaulicht dies symbolisch recht gut.

  • Nur mit dem Rumpf eines Segelbootes sind die Ruderer bereits in der Lage, sich fortzubewegen und von A nach B zu gelangen.
  • Das Segelboot ist bereits im ersten Schritt einsatzbereit und (über-)lebensfähig.
  • Die Besatzung kann sich von Anfang an mit dem Segelboot (bzw. dem ERP) vertraut machen.
  • In den folgenden Phasen wird das Boot immer weiter optimiert, erweitert und an die Bedürfnisse der Rudermannschaft angepasst, bis schliesslich das Endprodukt entsteht.
  • Diese Endversion unterscheidet sich nicht selten mehr oder weniger stark von dem, was man sich zu Beginn vorgestellt hat.  

Agile Methode

MVP Projektmethode

Im Vergleich dazu werden bei der Wasserfallmethode die einzelnen Komponenten wie Kajüte, Masten, Segel und Rumpf als Einzelteile (Teilprojekte) betrachtet, die erst am Ende zu einem funktionsfähigen und einsatzbereiten Schiff zusammengefügt werden.

Das Projekt Segelschiff mit all seinen Einzelkomponenten wird also zunächst bis ins kleinste Detail geplant, konzipiert und spezifiziert, wie genau das Endergebnis genau aussehen soll, bevor mit der Umsetzung begonnen wird.

Bei der Einführung einer (ERP-)Software nach dem MVP-Verfahren sollte die Software bereits im Standard so umfangreich sein, dass mit ihr und ohne weiteres Zutun der minimal lauffähige Zustand erreicht werden kann.

Wasserfall-Methode

Wasserfall Projektmethode

Welche Methode ist wann geeignet?

Beide Methoden haben Vor- und Nachteile und sind je nach Anforderung unterschiedlich gut geeignet.

Die Wasserfallmethode hat den Vorteil, dass sie in der Regel von allen Beteiligten schnell verstanden wird und eignet sich besonders für Projekte, bei denen viele Anforderungen bereits im Vorfeld klar definiert sind und bekannt ist, wie das Ergebnis aussehen soll. 

Agile Projekte, vor allem wenn man mit dieser Projektmethodik nicht vertraut ist, benötigen am Anfang viel mehr Erklärungen und vor allem Vertrauen.
Denn das Grobkonzept enthält nur Themenblöcke, aber noch keine Details. Im Vorfeld des Projektes kann daher auch nur ein zu erwartendes Gesamtbudget geschätzt werden. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung und zahlreicher erfolgreich durchgeführter Projekte haben wir dafür ein gutes Gespür.
Ein solches Vorgehen ist ideal, wenn die Möglichkeiten der neuen Lösung voll ausgeschöpft werden sollen, ohne dass das Endergebnis von Anfang an genau feststeht. Von der ersten Iteration an kann kontinuierlich getestet und das Projekt kontinuierlich erweitert werden. Die schnelle und unkomplizierte Reaktion auf neue oder sich ändernde Anforderungen ist ein weiterer, sehr grosser Vorteil des agilen Vorgehens. Bei einem agilen Vorgehen sind Termine und Kosten in der Regel fix. Es ist klar, wie viel Geld investiert wird und wann das Produkt fertig sein soll. Wie genau das fertige Produkt (Scope) aussehen soll, ist jedoch noch variabel.

Genau umgekehrt verhält es sich in der Regel beim klassischen Wasserfallmodell. Hier ist aufgrund der dedizierten, längeren Konzeptphase der Scope relativ fix. Budget und Termine ergeben sich erst daraus.

Agile Methode

Wasserfall-Methode

Der Aufwand für das gesamte Projektteam (intern und extern) ist beim MVP-Modell relativ konstant und insbesondere auf Kundenseite weniger Schwankungen unterworfen als beim Wasserfallansatz. Auf Basis des Nutzerfeedbacks werden die im Projektverlauf entstehenden Anforderungen direkt angepasst und umgesetzt.

Bei der Wasserfallvariante, bei der das Projekt mit einer Analysephase und einer anschliessenden Konzeptionsphase beginnt, ist der Aufwand auf Kundenseite vor allem in diesen ersten Phasen relativ hoch. In der Implementierungs-/Entwicklungsphase liegt der Aufwand dann grösstenteils auf der Anbieterseite. In der Testphase sind dann wieder beide Seiten gefordert. 

Vergleich der einzelnen Schritte / Phasen je nach Methodik

 

1

MVP-Methode, Schritt 1
MVP

Schritt 1:

Im ersten Schritt wird das Minimum Viable Product definiert. Es werden die minimalen Funktionen bestimmt, die das Produkt benötigt, um einsatzbereit zu sein und um ein erstes Feedback von den Nutzern zu erhalten. Das Segelboot hat bereits einen Rumpf und ist funktionsfähig. Es fehlen z.B. noch die Segel und der Mast. Um das Boot in Bewegung zu setzen, werden viele Personen zum Rudern benötigt.

Wasserfall

Schritt/Phase 1:

In der ersten Phase der klassischen Wasserfallmethodik wird eine Anforderungsanalyse durchgeführt, in der die konkreten Anforderungen in Form eines Lasten- bzw. Pflichtenheftes o.ä. formuliert werden.

2

MVP-Methode, Schritt 2
MVP

Schritt 2:

In einem zweiten Schritt wird der Rumpf mit einem Segel versehen und optimiert. Durch das Segel werden weniger Personen zum Rudern benötigt. Die Farbe des Segelbootes oder die Anzahl der Segel, die das Segelboot am Ende haben wird, ist noch nicht entschieden. Wichtig ist in dieser Phase nur, dass das Boot vorwärts kommt.

WASSERFALL

Schritt/Phase 2:

Der zweite Schritt eines Wasserfall-Projektes besteht in der Regel aus einer recht aufwendigen und intensiven Konzeptionsphase, in der alle Teilaspekte der Lösung sehr detailliert definiert und dokumentiert werden. 
Das oft umfangreiche Ergebnis dieser Phase bildet die Grundlage für die nächste Phase.

3

MVP-Methode, Schritt 3
MVP

Schritt 3:

In der dritten Phase wird das Segelboot mit einer Kajüte ausgestattet und weiter optimiert. Mit der Kajüte haben die Ruderer nun einen Rückzugsort und können sich erholen. Die Notwendigkeit der Kajüte wurde den Ruderern erst nach mehreren Rudertagen bewusst. Das Feedback der Nutzer wurde genutzt, um das Produkt weiter zu verbessern.

WASSERFALL

Schritt/Phase 3:

Nachdem in der 2. Phase die Grundlagen geschaffen wurden, geht es im nächsten Schritt um die Umsetzung und Implementierung der definierten Arbeitspakete und Teilprojekte gemäss Konzept.
Nicht selten ist dies nun die Phase, in der vor allem der Lösungsanbieter gefordert ist und der Arbeitsaufwand auf Kundenseite eher geringer ist bzw. sich der Kunde mit anderen Themen beschäftigt.  

4

MVP-Methode, Schritt 4
MVP

Schritt 4:

Im vierten Schritt wird der Schiffsrumpf lackiert. Die Lackierung dient nicht dem Fortschritt, sondern der weiteren Optimierung des Endproduktes.

WASSERFALL

Schritt/Phase 4:

In Phase 4 wird es wieder "spannend". Die Testphase steht an, in der die in Phase 3 entwickelten und implementierten Arbeitspakete, Prozesse, Module etc. gegen das Konzept getestet und verifiziert werden. 
Nicht selten kommt spätestens in dieser Phase eine weitere gewichtige Disziplin ins Spiel, das "Change Management". Wird nun festgestellt, dass einzelne Punkte doch nicht so passen, wie sie ursprünglich konzipiert und entwickelt wurden, müssen Änderungswünsche formuliert und Budget- und Termindiskussionen geführt werden.

5

MVP-Methode, Schritt 5
MVP

Schritt 5:

In der fünften Etappe erhielt das Segelboot zwei zusätzliche Segel, um mit weniger Manpower noch schneller fahren zu können. Das Segelboot wurde im Laufe der Zeit immer weiter optimiert und den Bedürfnissen der Ruderer angepasst, obwohl es von Anfang an voll einsatzfähig war.

MVP-Methode, Schritt 5
WASSERFALL

Schritt/Phase 5:

Nach der erfolgreichen Entwicklung und dem Bestehen des definierten Abnahmeverfahrens ist die letzte Phase der Übergang in den operativen, produktiven Betrieb

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich eine Softwareeinführung nach dem Wasserfallmodell vor allem dann bewährt hat, wenn die Ziellösung bereits zu Beginn relativ klar und detailliert spezifiziert ist.
Soll das Projekt hingegen möglichst offen und mit dem Ziel der gemeinsamen Erarbeitung der bestmöglichen Lösung angegangen werden, bietet sich ein agiles Modell an.  

Beide Methoden sind bei Polynorm fest verankert und werden bei verschiedenen Kunden erfolgreich eingesetzt.

Generell gilt: Es gibt nicht die eine Methodik, die für jedes Projekt geeignet ist. Die gewählte Methodik, übrigens oft ein Mix aus verschiedenen Methoden, muss immer zum spezifischen Projekt und vor allem zum Projektteam passen.

Beide Methoden sind bei Polynorm fest verankert und werden bei verschiedenen Kunden erfolgreich eingesetzt. Gemeinsam mit Ihnen legen wir fest, welche Methode für Ihr Unternehmen und Ihr Projekt geeignet ist.

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Erich Kern
Die ausgewählte Methode muss zu Ihrem Unternehmen und Projektteam passen.
Erich Kern
Agile Softwareprojekte in der Praxis: Lesen Sie, wie die Delico AG die agile ERP-Einführung erlebt und gestaltet hat.
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